Gedanken zum Muttertag
2018 ein Jahr der Jubiläen und des Gedenkens?
1918 demokratische Verfassung und allgemeines aktives und passives Wahlrecht in Österreich
1938 vorbereitet durch die autoritären Strukturen des Austrofaschismus erfolgte die Eingliederung des österr. Staates in das nationalsozialistische Deutschland
1948 Deklaration der allgemeinen Menschenrechte durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UNO)
1968 Prager Frühling. Antiautoritäre Bewegungen und internationale Freiheitsbewegungen in Staat und Kirche
Es gibt vieles zu feiern, es gilt über vieles nachzudenken, zu gedenken, mutig und demütig, freudig und auch trauernd. Sich daran zu erinnern warum und wie Menschen auf der ganzen Welt sich für etwas eingesetzt, sich gegen etwas gewehrt, Widerstand geleistet oder einfach Neues ausprobiert haben – mit Mut und Konsequenz.
Im Rahmen meiner Mitarbeit bei der SPÖ Grieskirchen möchte ich diese verschiedenen „Gedenkereignisse“ beschreiben, deren Ursprung und den Zusammenhang für Gegenwart und Zukunft herstellen.
Wir haben die Zukunft zu gestalten mit dem Wissen und der Erfahrung der Vergangenheit. Und gerade 2018 ist es notwendig, sich gegen die Wiederholung mancher Geschichte zu wehren, auch mit der Erfahrung, dass es nach 1945 sehr viele solidarische und konstruktive gesellschaftspolitische Ideen und politische Umsetzungen gegeben hat.
Der Muttertag hat keine runde Jahreszahl, der wird gefeiert, jedes Jahr, und auch die Rituale an diesem Tage sind wahrscheinlich ewig gleich, das Frühstück wird gemacht, Mutter hat an diesem Tage Sonderurlaub, „Mann“ und Kind tun an diesem Tage alles.
War die Idee des Muttertages Ihr an diesem Tage „frei zu geben“, sie an diesem Tage mit Blumen und Geschenken zu bedenken, um das restliche Jahr alles im Gewohnten verharren zu lassen.
Die Idee zum Muttertag hatte die Methodistin Ann Maria Reeves Jarvis mit der Gründung einer Mütterbewegung namens Mothers friendship Day 1865. Es sollte Müttern der Austausch zu besonderen Fragen möglich sein (bürgerlich-klerikales Milieu).1870 setze Julia Ward Howe eine Initiative „peace and motherhood“ ein, um zu verhindern, dass Söhne im Krieg geopfert werden mussten. Auf Initiative der Tochter von Ann Jarvis wurde schließlich im Gedenken an die Idee der Mutter in Amerika der Muttertag offiziell als Feiertag eingeführt und nach Europa transportiert.
In Europa entstanden ebenfalls in den sechziger Jahren des 19 Jahrhunderts verschiedene Fraueninitiativen, die Frauenrechte im Allgemeinen und ganz spezielle gesellschaftspolitische Verbesserungen für die Frau, z.B. durch erhöhte Bildungschancen, zum Ziel hatten. Die proletarische Frauenbewegung war stets eine „Frau und Mutterbewegung“, während die bürgerliche Frauenbewegung eher die Mutter in den Vordergrund stellte. Beiden gleich waren immer Initiativen zum Frieden (wir gebären und erziehen Söhne und ihr schickt sie in den Krieg). „Wir wollen unsere Söhne zurück, Ihr habt sie uns genommen“
Gerade in den kapitalistisch orientierten Gesellschaftssystemen wurde der Muttertag sehr schnell kommerzialisiert, es wurde – besonders gut angenommen von bürgerlichen bis reaktionären Bewegungen – ein „unpolitischer“ Feiertag daraus (mit Blumen und Geschenken – der Handel war der große Profiteur).
„Ganz nebenbei“ wurde damit ein Frauenbild verfestigt, das in der Mutterschaft die Erfüllung der Frauenrolle sieht und nicht die Frau in den Vordergrund stellt und Muttersein als eine Möglichkeit fraulicher Lebensgestaltung sieht.
Im Nationalsozialismus wurde der Muttertag sehr stark ideologisiert:
- Mutter ist die naturgegebene Rolle der Frau
- Mütter bekommen Kinder zum Schutze vor dem Fremden, dem Anderen
- Der Mann und Vater ist der naturgegebene Ernährer der so idealisierten Familie
- die Familie als selbstverständliche Lebensform des Menschen, als Abgrenzung zu Homosexualität und Kinderlosigkeit, die deutsche Mutter in der Abgrenzung zur anderen, zur fremden Mutter, zur emanzipierten, vielleicht sogar partnerlosen Mutter
Wenn der Muttertag von Bürgerlich-nationalen Parteien bzw. Bewegungen und von gewinnorientierten Wirtschaftssystemen besetzt und beansprucht wurde, was bedeutet oder kann Muttertag für solidarisch denkende Menschen bedeuten?
Prinzipiell steht im Sinn der Gleichheit die Frau im Vordergrund, sie kann, muss aber nicht Mutter sein. Wir müssen dafür kämpfen, dass es Müttern möglich ist, ihre Planungen als Mütter gleichberechtigt leben zu können. Das bedeutet, ausreichend für Kinderbetreuungsplätze zu sorgen, Müttern zu ermöglichen unselbständig oder selbständig erwerbstätig zu sein, mit finanziellen Absicherungen, die auch und gerade bei Alleinerziehung Armut bzw. Armutsgefährdung unmöglich macht.
Angesichts der neoliberalen und bürgerlich-reaktionären-nationalen Regierungen ist es wichtig zu betonen: „Dies muss für alle Mütter, unabhängig von Staatsbürgerschaft und Religionszugehörigkeit, gelten.“
Hier müssen alle offenen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen Rahmenbedingungen schaffen. Öffentliche und allen zugängliche Förderung ist notwendig im Gegensatz zu gewinnorientierten Angeboten. Gleichheit ist nicht teilbar.
Wie ist es mit der Freiheit und dem Muttertag?
Freiheit bedeutet, die für alle gleichen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten an gesellschaftlichen Prozessen teilzunehmen. Freiheit bedeutet als Mutter entscheiden zu dürfen, wie möchte ich leben, wie möchte ich (gleichberechtigt mit dem Partner/der Partnerin) Erziehung gestalten. Ich habe als Mutter die Freiheit in einem gleichberechtigten gesellschaftlichen System meine Mutterrolle zu definieren und zu leben. Und ich habe durch diese Entscheidung keine Einschränkung meiner persönlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu befürchten. Freiheit ist nicht teilbar.
Solidarität
Egal ob Mann oder Frau, Vater oder Mutter, jung oder alt, Homo- oder heterosexuell, Single oder verpaart, wir alle haben die Pflicht und auch die Freude, dafür zu kämpfen, es muss doch endlich möglich sein:
Gleiches Recht für alle
Gleiche Bezahlung für alle
Gleiche gesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten durch entsprechende Rahmenbedingungen sowohl für Frau als auch Mann, Mutter oder Vater
Die gegenwärtigen konservativen und reaktionären nationalen Regierungen (Österreich, Ungarn, Polen, etc.) forcieren durch Einsparungen im sozialen Bereich und durch Verringerung der Partizipationsmöglichkeiten im gesellschaftlichen Bereich die Reduzierung gewohnter konsensualer politischer Prozesse. Im Gegenzug wird der Polizeistaat ausgebaut und persönliche Rechte abgebaut – Überwachung und Datenschutz.
Wir Sozialistinnen und Sozialisten dürfen uns dafür einsetzen und angesichts der gesellschaftspolitischen Entwicklung – wir müssen es!
Muttertag, ist nicht EIN Tag, sondern Muttertag ist ein ganzes Jahr. Die Liebe zur und Wertschätzung der Mutter ist nicht teilbar und tagesrationiert.
Freiheit, Gleichheit, Solidarität ist Frauentag, ist Muttertag, ist „equal pay day“, ist „peace for all“, ist uneingeschränkt, ist international.
Christian Engl, 2018